Gutachten zur Baubetriebeeigenschaft – Abgrenzung zu Handel und Hilfstätigkeit
Der Fall
Die Tätigkeit unserer Mandantin liegt auf dem Gebiet des Handels mit Straßenbaugütern. Sie vertreibt Bitumenemulsion gekoppelt mit dem Einlagern, Umgruppieren und Auslagern von Gütern (Hilfstätigkeiten).
Die Emulsion wird durch die Konzernmutter der Mandantin hergestellt. Die Lieferung an die Kunden erfolgt entweder einfach durch „Abkippen“ zur Eigenverwendung für Kunden oder konkret durch Aufbringung auf die Straße mittels Spezialfahrzeugen. Diese Aufbringung ist ein in sich abgeschlossener Vorgang zur Erstellung der Straßen. Die aufgebrachte Emulsion wirkt wie eine Art „Klebstoff“ um zwei verschiedene Beläge miteinander fest zu verbinden.
Eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einzelnen Tätigkeiten lässt sich wie folgt vornehmen:
Gewerbliche Arbeiten
60 % Aufbringung, 40 % Transport / einfache Lieferung
Außendienst (kaufmännisch):
50 % Stückgut
25 % Aufbringung
25 % Lieferung
Zu entwickeln war ein sicherer Weg, mit dem die Beitragspflicht vermieden werden konnte.
Die Lösung
Wir von AMETHYST Rechtsanwälte haben zum Sachverhalt ein Gutachten (Gutachten) erstellt und dann bei der Umsetzung (Consulting) beraten.
1. Aufbringung
Die Aufbringung der Bitumenemulsion fällt zunächst jedenfalls unter die Nummer 32 des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV und stellt damit eine beitragspflichtige Tätigkeit zur SOKA-Bau dar. Ferner unterfällt sogar die Herstellung des Mischgutes den Regelungen des VTV, sofern sie im Verbund mit der Verarbeitung geschieht.
2. Reine Auslieferung
Diese Tätigkeit ist keine Bautätigkeit, macht von der gewerblichen Arbeitszeit her allerdings nur den geringeren Anteil aus.
3. Vertrieb - kaufmännisch
Bei einer hälftigen Verteilung der Arbeitszeit zwischen nicht gewerblicher (Vertrieb/Verwaltung) und gewerblicher Tätigkeit ergibt sich bei einer Addition der Arbeitszeiten für Stückgut, Lieferung (Logistik) und Transport gewerblich ein Überwiegen dieser Tätigkeiten für einen Handelszweck.
Es stellt sich also die Frage, ob der Handel mit Bitumenemulsion als Hilfstätigkeit dem Bau oder ob nicht vielmehr die Aufbringung als Hilfstätigkeit dem Handel zuzurechnen ist. Grundsätzlich sind dabei die Arbeitszeiten der Angestellten für die Frage, ob der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet ist, als neutral zu bewerten (Hess. LAG 20.03. 2009 - 10 Sa 859/08). Geht es um einen Mischbetrieb, bei dem zum Teil Angestelltentätigkeiten und zum anderen Teil Arbeiten gewerblicher Arbeitnehmer anfallen, kann aber nicht allein die Arbeit der gewerblichen Arbeitnehmer in die Betrachtung einbezogen werden, wenn es ernstlich auch in Frage kommt, dass die Angestelltentätigkeiten, hier Verkauf und Handel, dem Betrieb das Gepräge geben (Hess. LAG 23. Januar 2013 - 18 Sa 883/12 -n.v.).
Hiervon ausgehend ist es gut vertretbar, angesichts der überwiegenden Ausrichtung den Vertrieb als Hauptzweck des Unternehmens anzusehen. Hierfür spricht das arbeitszeitliche Überwiegen der Außendiensttätigkeiten, die wiederum überwiegend dem Vertrieb und nicht der Aufbringung dienen.
4. Beratung - zukünftige Gestaltung
Unser anwaltlicher Rat bestand in dem Beitritt zu einem (dem Baugewerbe) fachfremden Arbeitgeberverband, was angesichts des hohen Produktionsanteils möglich war; ferner rieten wir zu einer Ausgründung der baunahen Tätigkeiten.
a) Verbandsmitgliedschaft im Arbeitgeberverband Chemie
Gem. Nr. 1 Abs. 1 und Abs. 2 der VTV-AVE-Einschränkung v. 06. Juli 2015 gilt der VTV nicht für Unternehmen, die mittelbar Mitglied im Bundesarbeitgeberverband der Chemischen Industrie e.V. sind und überwiegend Tätigkeiten ausüben, die in Produktion oder Vertrieb chemischer Erzeugnisse („Chemische Industrie Nr. 16) bestehen.
Insoweit ist es der naheliegendste Weg, über eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband und die Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung zum VTV für die Zukunft über diese Mitgliedschaft eine Beitragsbefreiung zu erreichen. Für die Zukunft lautete unsere fachliche Empfehlung deshalb dringend, dem Arbeitgeberverbband Chemie Baden- Württemberg e.V. beizutreten. Damit lässt sich die Beitragspflicht jedenfalls für die Zukunft mit höherer Wahrscheinlichkeit vermeiden.
b) Aus- oder Neugründung
Ebenfalls kommt es in Betracht, die Tätigkeiten des Aufbringens in eine eigene GmbH mit Beitragspflicht auszugliedern, um den restlichen Bereich „sauber“ zu halten.