SOKA-Beitragsverfahren
SOKA-Bau steht für “Sozialkassen des Baugewerbes“. Unter diesem Namen treten seit 2001 die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse e. V. (ULAK) und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes AG (ZVK-Bau) gemeinsam nach außen auf. Diese Kassen sind eine gemeinsame Einrichtung der Tarifparteien der Bauindustrie, des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes e. V. (ZDB) und des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e. V. (HDB) auf Arbeitgeberseite sowie der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU).
1. Sozialkassen des Baugewerbes
Aufgabe der Sozialkassen (nachfolgend ausschließlich als „SOKA-Bau“ zusammengefasst) ist es, Ansprüche einzelner Arbeitnehmer auf Urlaubsgewährung zu sichern, die durch oft nur sehr kurze Unternehmenszugehörigkeiten gefährdet sind, eine Zusatzversorgung im Alter oder auch die bloße Ausbildungsmöglichkeit für kleinere Betriebe zu finanzieren. Das geschieht durch verschiedene Abgaben, die von den Arbeitgebern erhoben werden, sofern sie als Baubetriebe klassifiziert sind.
Über den sozialpolitischen Sinn dieser Einrichtungen gibt es geteilte Auffassungen. Einer besseren Absicherung der Arbeitnehmer und der Finanzierung von Ausbildungsplätzen stehen höhere Kosten für die Bauwirtschaft gegenüber. Tatsache ist, dass die SOKA-Bau ein erhebliches Akzeptanzproblem hat, das dem Widerwillen einzelner Unternehmen, Pflichtbeiträge zur IHK oder früher an die GEZ zu zahlen, entspricht. Pflichtbeiträge ohne Wahlmöglichkeit zahlt niemand gern, und hier kommt noch zweierlei hinzu:
- Die mangelnde Transparenz der Regelungen zur Beurteilung der Beitragspflicht, die so unübersichtlich ist, dass selbst Spezialisten Mühe haben, in Einzelfällen durchzublicken,
- sowie die mitunter existenzgefährdende nachträgliche Beitragsfestsetzung für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren.
Selbst „Die Zeit“, nicht unbedingt als Wirtschaftsblatt bekannt, titelte dazu am 4.8.2012: „Der Handwerkerschreck – Die Sozialkasse der Bauwirtschaft bringt kleine Betriebe an den Rand des Ruins.“
Die Dimension des Themas ist gewaltig. 77.000 inländische und ausländische Unternehmen mit etwa 740.000 Beschäftigten sind von der Beitragspflicht aktuell betroffen. Wer als Betrieb des Bauhauptgewerbes dazu gehört, kann sich darauf einstellen und Rücklagen bilden. Doch für noch einmal dieselbe Anzahl von Betrieben aus dem Baunebengewerbe oder mit Arbeitsschwerpunkten in Randbereichen ist völlig unklar, ob sie zu einer „Mitgliedschaft“ herangezogen werden können. Ist das der Fall, kann es bei der vierjährigen Verjährungsfrist teuer werden. Dazu noch einmal „Die Zeit“: „Unternehmer aus Nachbarbranchen assoziieren mit dem Kürzel jedoch eher Bedrohung als soziale Wohltaten. Mit saftigen Beitragsforderungen bringt die Kasse ahnungslose Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten.“
Die SOKA-Bau ist keine staatliche Einrichtung! Ihr stehen also nicht die Mittel öffentlicher Institutionen oder von Sozialversicherungsträgern zur Verfügung. „Beitragsbescheide“ gibt es nicht, sondern nur einfache Forderungen, die nicht im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden können. Sie sind auch nicht sofort vollziehbar. Stattdessen muss die SOKA-Bau ihre Forderungen vor dem ArbG einklagen und dort nach den allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts darlegen und beweisen.
Neben der SOKA-Bau besteht eine Vielzahl weiterer Sozialkassen mit ähnlichen Aufgaben, etwa für Maler- und Lackierer, Dachdecker oder Gerüstbauer. Daneben existieren vergleichbare Institutionen auch in einigen anderen europäischen Ländern (Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Niederlande und Österreich).
2. Beitragspflicht
Die Finanzierung der Leistungen der SOKA-Bau erfolgt durch Beitragserhebungen zur Berufsbildung (geregelt im Tarifvertrag über das Berufsbildungsverfahren, BBTV), zur Rentenbeihilfe (Tarifvertrag über das Rentenbeihilfeverfahren, TVR) und für die Urlaubskassen (Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe, VTV). Die Beitragshöhe ist abhängig von den für die gewerblichen Arbeitnehmer gezahlten Bruttolöhnen und unterscheidet sich außerdem danach, ob sich der Sitz des Betriebs in den neuen oder alten Bundesländern befindet. Im laufenden Kalenderjahr 2015 beträgt der Gesamtbeitrag zum Sozialkassenverfahren in den alten Bundesländern 20,4 %, in den neuen 17,2 % und in Berlin 26,55 % (West) bzw. 23,35 % (Ost). Der Großteil des Beitrags (15,1 %) ist für das Urlaubskassenverfahren vorgesehen. Für Angestellte (alte Bundesländer und Berlin-West) gilt hingegen ein monatlicher Festbetrag von aktuell 67 Euro monatlich nur für die Zusatzversorgung. In Berlin-Ost und in den neuen Bundesländern besteht Beitragsfreiheit.
Eine besondere Belastung für neu erfasste Betriebe ergibt sich daraus, dass die Beiträge rückwirkend bis zu vier Jahren (§ 21 VTV) erhoben werden können. Je nach Anzahl der gewerblichen Mitarbeiter kann das eine enorme finanzielle Belastung vor allem für kleine Organisationen zur Folge haben.
3. Urlaubsverfahren
Das wichtigste Verfahren ist das Urlaubsverfahren. Denn im Bereich der Urlaubsansprüche werden die Benachteiligungen von Arbeitnehmern im Baugewerbe bei Anwendung der gesetzlichen Regelungen besonders deutlich, da sie häufig nur kurze Zeit bei einem einzelnen Betrieb beschäftigt sind. Nach den Regelungen des BUrlG, die anteilige Urlaubsansprüche immer von einer Betriebszugehörigkeit in vollen Monaten abhängig machen, hätten sie damit oft keinen oder lediglich einen Urlaubsanspruch von nur wenigen Tagen. Zur Vermeidung dieser Benachteiligung verkürzt die Urlaubsregelung in § 8 BRTV Bau die Anwartschaftsdauer auf jeweils 12 Tage pro Urlaubstag und gewährleistet ein arbeitgeberübergreifendes Zählen, so dass dem Arbeitnehmer Urlaub letztlich wie im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses gewährt wird. Der Arbeitgeber, bei dem der Beschäftigte den Urlaub tatsächlich nimmt, ist nun verpflichtet, diesen Anspruch so zu erfüllen, als habe der Betroffene den Urlaub durch eine Tätigkeit ausschließlich bei ihm erworben. Die zuständige Urlaubskasse (ULAK) erstattet dem Arbeitgeber anschließend die von ihm an den Arbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsvergütung. Für Betriebe mit Sitz im Land Berlin tritt an die Stelle der ULAK die Sozialkasse des Berliner Baugewerbes (SOKA-Berlin), für Baubetriebe mit Sitz im Freistaat Bayern die Gemeinnützige Urlaubskasse des Bayerischen Baugewerbes e. V. (UKB). Im Ergebnis richtet sich der Anspruch auf Urlaubsabgeltung also gegen die Sozialkasse.
Sofern die SOKA-Bau das Unternehmen auf Beitragszahlung in Anspruch nimmt, kann es auch später noch mit dem an die Belegschaft gezahlten Urlaubsentgelt aufrechnen. Das setzt allerdings
- eine erfolgte Meldung (§ 12 Abs. 1 VTV),
- die tatsächliche Zahlung des Urlaubsentgelts (vgl. § 12 Abs. 1 VTV) und
- vollständige Beitragszahlung (§ 12 Abs. 2 VTV)
voraus.
Letzteres führt im Ergebnis dazu, dass eine Aufrechnung bereits in einem Beitragsprozess vor dem ArbG nicht erfolgen kann.
Teil 2 und Teil 3 finden Sie hier.
Der Beitrag ist in der Zeitschrift Arbeit und Arbeitsrecht 8/2015 erschienen. Verfasser ist RA Jörg Hennig, AMETHYST Rechtsanwälte, Berlin