SOKA-Beitragsverfahren II

Rechts­grund­la­ge für die Mit­glieds- und Bei­trags­pflicht zur SOKA-Bau sind die bereits erwähn­ten Tarif­ver­trä­ge des Bau­ge­wer­bes. Für das Urlaubs­kas­sen­ver­fah­ren wird eine Ver­pflich­tung bau­ge­werb­li­cher Betrie­be zur Teil­nah­me am Urlaubs­kas­sen­ver­fah­ren und zur Bei­trags­zah­lung in § 8 Nr. 15 BRTV begründet.

4. Erfasste Betriebe und Allgemeinverbindlichkeit

Die Ein­zel­hei­ten des Ver­fah­rens sowie die Bei­trags­hö­he regelt der VTV. Da die Tarif­ver­trä­ge des Bau­ge­wer­bes vom BMAS für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt wur­den (AVE v. 6.7.2015 – BAnz AT 14.7.2015, B3), bin­den sie sämt­li­che Arbeit­ge­ber unab­hän­gig von ihrer Mit­glied­schaft im ver­trags­schlie­ßen­den Bau­ver­band. Das bedeu­tet: Alle Betrie­be, die unter den Anwen­dungs­be­reich fal­len, sind auto­ma­tisch bei­trags­pflich­tig. Ob die erfor­der­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit des VTV tat­säch­lich vor­lie­gen, ist zwar recht­lich kei­nes­wegs unum­strit­ten; die Arbeits­ge­rich­te beja­hen dies aber regel­mä­ßig (BAG, Urt. v. 19.2.2014 – 10 AZR 428/13), zuletzt das LAG Ber­lin-Bran­den­burg (Beschl. v. 17. 4.2015 – 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14).

Doch gilt der VTV nicht unein­ge­schränkt. Da es zahl­rei­che kon­kur­rie­ren­de Tarif­ver­trä­ge aus bau­na­hen Bran­chen gibt, muss die All­ge­mein­ver­bind­lich­keit aus Grün­den der nega­ti­ven Koali­ti­ons­frei­heit in die­sen Berei­chen kon­kur­rie­ren­der Tarif­ver­trä­ge ein­ge­schränkt wer­den. Die­se „Ein­schrän­kungs­klau­seln“ machen am Ende den größ­ten Teil der AVE aus und gel­ten z. B. für Tei­le der holz- und kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie, der Säge­indus­trie und übri­gen Holz­be­ar­bei­tung, der Stei­ne- und Erden-Indus­trie, der Mör­tel­in­dus­trie, der Trans­port­be­ton­in­dus­trie, der che­mi­schen oder kunst­stoff­ver­ar­bei­ten­den Indus­trie oder der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie. Wei­te­re Bran­chen wie das Maler- und Lackie­rer­hand­werk schließt der VTV bereits selbst aus sei­nem Gel­tungs­be­reich aus (§ 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV).

5. Geltungsbereich des VTV

Unab­hän­gig von einer Ver­bands­mit­glied­schaft besteht die Pflicht zur Bei­trags­zah­lung für Betrie­be in einem Unter­neh­men, die als „Betrieb des Bau­ge­wer­bes“ (§ 2 Abs. 2 Satz 1 VTV) ein­zu­stu­fen sind. Das wie­der­um hängt davon ab, ob er dem Gel­tungs­be­reich des VTV unter­fällt. Wie ande­re Tarif­ver­trä­ge unter­schei­det der VTV nach räum­li­chem, betrieb­li­chem und per­sön­li­chem Geltungsbereich.

Räum­lich umfasst der Anwen­dungs­be­reich des VTV das Gebiet der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Das ist bei Fäl­len mit Aus­lands­be­zug und mög­li­cher­wei­se kon­kur­rie­ren­den aus­län­di­schen Sozi­al­kas­sen pro­ble­ma­tisch, soll hier jedoch außen vor bleiben.

Vom per­sön­li­chen Gel­tungs­be­reich des Tarif­ver­trags erfasst sind gewerb­li­che Arbeit­neh­mer, Ange­stell­te, dienst­pflich­ti­ge Arbeit­neh­mer und Aus­zu­bil­den­de (§ 1 Abs. 3 Abschnitt VII VTV).

Auch wenn die vor­ste­hen­de Abgren­zung gerin­ge­re Schwie­rig­kei­ten berei­tet, ist das „Zäh­len“ und „Bewer­ten“ von Per­so­nen ein „Dau­er­bren­ner“ in der Pra­xis. Dabei geht es – genau­er – um die bei­trags­recht­li­che Zuord­nung ein­zel­ner Mit­ar­bei­ter. So ist es einen gro­ßer Unter­schied, ob für eine Per­son als Ange­stell­ten bloß 67 Euro Monats­ab­ga­be gem. § 16 VTV oder der vol­le Bei­trags­satz für gewerb­li­che Arbeit­neh­mer nach § 15 VTV gezahlt wer­den muss.

Die größ­ten Schwie­rig­kei­ten berei­tet die Ein­ord­nung in den betrieb­li­chen Gel­tungs­be­reich: Kurz gesagt, müs­sen die Betrie­be über­wie­gend, also zu mehr als 50 % der geleis­te­ten Arbeits­stun­den, bau­li­che Leis­tun­gen erbrin­gen. Prä­zi­ser defi­niert das § 1 Abs. 2 VTV, der noch­mal in sie­ben Unter­ab­schnit­te geglie­dert ist. Die Prü­fung beginnt mit § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV, in dem 42 Regel­bei­spie­le für ein­zel­ne Bau­bran­chen auf­ge­zählt wer­den, deren Betrie­be dem VTV als Pflicht­mit­glie­der unter­fal­len. Fin­det man sein Gewer­be hier nicht, kann es sich nach ande­ren Abschnit­ten den­noch um einen Bau­be­trieb han­deln, denn nach Abschnitt I und II unter­fal­len auch Betrie­be dem VTV, die nach ihrer durch die Art der betrieb­li­chen Tätig­kei­ten gepräg­ten Zweck­be­stim­mung und nach ihrer betrieb­li­chen Ein­rich­tung gewerb­lich Bau­ten aller Art erstel­len oder bau­li­che Leis­tun­gen erbrin­gen, die der Erstel­lung, Instand­set­zung, Instand­hal­tung, Ände­rung oder Besei­ti­gung von Bau­wer­ken dienen.

Stellt man eine Bei­trags­pflicht fest, ist die Sache aber noch nicht geklärt. Denn über § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV kann nun die „Rück­aus­nah­me“ grei­fen. Wer­den mehr als 50 % bau­li­che Leis­tun­gen erbracht, so kann der Betrieb die Rück­aus­nah­me in Abschnitt VII für sich in Anspruch neh­men, wenn er die dort genann­ten Merk­ma­le zu 20 % erfüllt. Er muss also mit min­des­tens 20 % der betrieb­li­chen Gesamt­ar­beits­zeit Arbei­ten aus­füh­ren, die aus­schließ­lich den von dem betrieb­li­chen Gel­tungs­be­reich aus­ge­nom­me­nen Gewer­ken wie für Maler- und Lackie­rer, Gerüst­bau­er, Klemp­ner oder Gla­ser zuzu­ord­nen sind. Die­se Arbei­ten müs­sen für die­ses Gewerk typisch sein, was dar­an zu erken­nen ist, dass sie von gelern­ten Arbeit­neh­mern die­ses Gewerks aus­ge­führt wer­den oder jeden­falls eine ent­spre­chen­de Auf­sicht durch einen Fach­mann die­ses Gewerks besteht. Dann unter­fällt der Betrieb, obwohl er an sich bau­li­che Leis­tun­gen erbringt, nicht dem VTV und damit auch kei­ner Bei­trags­pflicht (BAG, Urt. v. 24.11.2004 – 10 AZR 169/04). Die­se von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Grund­sät­ze zu den „Sowohl-als-auch-Betrie­ben” gel­ten für alle im Rah­men des Abschnitts VII genann­ten Gewerke.

Bei Betrie­ben, die nicht bloß eine, son­dern meh­re­re Tätig­kei­ten aus­üben (Misch­be­trie­be) kommt es dar­auf an, wel­chen Tätig­kei­ten über­wie­gend, also mit mehr als 50 % der Kopf­stun­den nach­ge­gan­gen wird (BAG, Urt. v. 25.1.2005 – 9 AZR 146/04). Sind Teil­tä­tig­kei­ten in selbst­stän­di­gen (orga­ni­sa­to­risch eigen­stän­di­gen) Betriebs­tei­len orga­ni­siert, wird die Fra­ge nach der über­wie­gen­den Tätig­keit bezo­gen auf jeden Betriebs­teil beur­teilt (§ 1 Abs. 2 Abschn. VI VTV). Dann kann es auch vor­kom­men, dass nur ein selbst­stän­di­ger Betriebs­teil eines Unter­neh­mens SOKA-Bau-pflich­tig, die übri­gen Tei­le jedoch bei­trags­frei sind. Für die Berech­nung zäh­len nur die Arbeits­stun­den sozi­al­ver­si­che­rungs­pflich­tig beschäf­tig­ter Arbeit­neh­mer. Selbst­stän­di­ge, Sub­un­ter­neh­mer etc. blei­ben bei der Bewer­tung außen vor. So kann es bspw. schnell pas­sie­ren, dass ein Unter­neh­men, das Fer­tig­häu­ser nach außen sicht­bar schlüs­sel­fer­tig „baut“ und damit sogar auch wirbt, kein Bau­be­trieb i. S. d. VTV ist, da es sich nur mit Pla­nung und Ver­trieb befasst. Nur dann, wenn Arbei­ten unter ein­heit­li­cher Lei­tung inner­halb einer orga­ni­sa­to­ri­schen Ein­heit ver­rich­tet wer­den, kommt es aus­nahms­wei­se zur Berück­sich­ti­gung von Sub­un­ter­neh­mern (BAG, Urt. v. 14.3.2012 – 10 AZR 610/10).

Eine Beson­der­heit gilt für klas­si­sche Hilfs- und Neben­tä­tig­kei­ten wie den Mate­ri­al­trans­port an die Bau­stel­le, Räum- oder Rei­ni­gungs­ar­bei­ten. Die hier­für auf­ge­wand­te Arbeits­zeit stellt kei­nen eige­nen Betriebs­zweck dar, son­dern wird der Haupt­tä­tig­keit zuge­schla­gen und zählt somit als rei­ne Bau­tä­tig­keit. Für die Bau­tä­tig­keit mit zu berück­sich­ti­gen sind nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BAG die­je­ni­gen Vor‑, Nach- und Neben­ar­bei­ten, die zu einer sach­ge­rech­ten Aus­füh­rung der bau­li­chen Leis­tun­gen not­wen­dig sind und des­halb mit ihnen im Zusam­men­hang ste­hen. Das ist bei Beräu­mung der Bau­stel­le und bei An- und Abtrans­por­ten anzu­neh­men, wenn ledig­lich die bei der eige­nen Bau­tä­tig­keit anfal­len­den Abfäl­le und Aus­hü­be ent­sorgt wer­den, da deren Ent­fer­nun­gen übli­cher­wei­se zur Tätig­keit des Bau­un­ter­neh­mers dazu gehört. Das gilt auch dann, wenn der Aus­hub durch frem­de Trans­port­be­trie­be besei­tigt wer­den könn­te. Machen die­se Neben­tä­tig­kei­ten jedoch ins­ge­samt mehr als 50 % der betrieb­li­chen Arbeits­zeit aus, kippt die Sache. Denn dann wird aus einem bei­trags­pflich­ti­gen Bau­be­trieb plötz­lich ein bei­trags­frei­es Transportunternehmen.

Durch den rich­ti­gen „Zuschnitt“ von Betrie­ben und Betriebs­tei­len kön­nen die Ver­ant­wort­li­chen oft im Rah­men von orga­ni­sa­to­ri­schen Maß­nah­men den bei­trags­pflich­ti­gen Per­so­nen­kreis deut­lich beschrän­ken oder die Bei­trags­pflicht sogar ganz beseitigen.

Teil 1 und Teil 3 fin­den Sie hier.

Der Bei­trag ist in der Zeit­schrift Arbeit und Arbeits­recht 8/2015 erschie­nen. Ver­fas­ser ist RA Jörg Hen­nig, AMETHYST Rechts­an­wäl­te, Ber­lin