SOKA-Bau Tarifvertrag nicht allgemeinverbindlich
Der Knaller aus Erfurt: SOKA-Bau-Tarifverträge haben keinen Bestand!
Damit hatte wohl niemand gerechnet. Der SOKA-VTV für die Jahre 2008 bis 2011 und für 2014 ist nicht allgemeinverbindlich. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 21. September 2016 entschieden. In zwei verschiedenen Verfahren (10 ABR 48/15 und 10 ABR 33/15) hatte das Bundesarbeitsgericht die Allgemeinverbindlicherklärungen für den SOKA-VTV in dem genannten Zeitraum zu prüfen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte die Allgemeinverbindlichkeit mit Beschluss vom 17. April 2015 (2 BVL 5002/14 und 6 BVL 5006/15) noch anerkannt.
Gründe für fehlende Allgemeinverbindlichkeit
Das Bundesarbeitsgericht sah die für diesen Zeitraum noch erforderliche Geltung des 50%-Quorums als nicht ausreichend begründet an. Weder hätten sich die zuständigen Minister im Bundesarbeitsministerium mit der Sache ausreichend befasst, noch gebe es eine tragfähige Grundlage für die Annahme , dass zum Zeitpunkt des Erlasses der Allgemeinverbindlicherklärung für die jeweiligen VTV mindestens 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitnehmer bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigt waren.
Auswirkungen des Urteils
Die Auswirkungen des Urteils sind kaum absehbar. Sämtliche noch offene Nachforderungen der SOKA-Bau für die Jahre 2008–2011 sowie für 2014 dürften damit nicht mehr begründet sein, sofern diese nicht ohnehin schon verjährt waren. Das gilt für alle nicht tarifgebundenen Arbeitgeber, also für alle, die nicht Mitglied in einem Arbeitgebrrverband der tarifschließenden Parteien waren. Das Jahr 2015 ist von dieser Rechtsprechung nicht betroffen, da es für dieses Jahr eine neue Allgemeinverbindlicherklärung unter erleichterten Voraussetzungen gab. Ebenfalls nicht betroffen sind die Jahre 2012 und 2013.
Zinsansprüche entfallen
Neben dem Anspruch auf die Hauptforderung entfällt nun auch der Zinsanspruch in Höhe von 1% pro Monat gem. § 20 VTV-Bau. Jedenfalls wenn hier Rückstände bestehen, wird die Zahlungspflicht im Nachhinein vollständig entfallen, da schon dem Grunde nach keine Zahlungspflicht bestand.
Können gezahlte Beiträge zurück gefordert werden?
Eine Rückforderungsmöglichkeit für überzahlte Beitrags- und Erstattungsleistungen könnte möglicherweise bestehen. Allerdings nur für Firmen, die keiner Tarifbindung unterlagen (was für die Mehrheit zutrifft). Ferner ist es möglich, dass die Feststellung der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen einer Vollstreckung von Beitragsansprüchen aus rechtskräftigen Entscheidungen entgegensteht. Diese Möglichkeiten hat das Bundesarbeitsgericht in seinen Presserklärungen bereits angesprochen, die Fragen jedoch ausdrücklich offen gelassen.
Zunächst müssen die Entscheidungsgründe abgewartet werden. Beitragszahlern ist dann jedenfalls zu raten, Rückzahlungsansprüche anzumelden. Bei bloßen Beitragszahlungen ohne vorherige Verurteilung sollte eine realistische Rückforderungsmöglichkeit bestehen, das der „Rechtsgrund” für diese Zahlungen nun nachträglich entfallen ist. Gegenleistungen durch die SOKA müssten sich die Unternemen jedoch anrechnen lassen.
Für Zahlungen aufgrund eines Urteils dürfte es schwieriger werden, da hier zunächst ein Wiederaufnahmeverfahren durchzuführen wäre und eine Änderung der Rechtsprechung bislang nicht als Wiederaufnahmegrund galt.
Wirkung wie eine Amnestie
Vor allem Unternehmen, die sich bislang in der Grauzone einer Beitragspflicht befunden haben, bietet der Wegfall der Allgemeinverbindlichkeit auch Chancen. Durch die nun entfallende Möglichkeit, für die Vergangenheit wesentliche Beiträge nachzufordern, bietet sich die Gelegenheit einer Legalisierung und realistischen Überprüfung der bisher ausgeübten Tätigkeit.