Allgemeinverbindlichkeit der SOKA-Tarifverträge wirksam

Das LAG Ber­lin-Bran­den­burg hat sich am 17. April 2015 zu der umstrit­te­nen Fra­ge geäu­ßert, ob die All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung der SOKA-Tarif­ver­trä­ge für das Bau­ge­wer­be (VTV etc.) in den Jah­ren 2008 und 2010 durch das Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Arbeit und Sozia­les (BMAS) wirk­sam war. Das Gericht bejah­te dies mit der Kon­se­quenz, dass sämt­li­che bau­ge­werb­li­che Arbeit­ge­ber unab­hän­gig von ihrer Ver­bands­mit­glied­schaft Sozi­al­kas­sen­bei­trä­ge an die SOKA-Bau zu zah­len haben (LAG Ber­lin-Bran­den­burg, Beschluss v. 17. 04.2015 – 2 BVL 5001/14 und 2 BVL 5002/14).

Hintergrund

Der Tarif­ver­trag über das Sozi­al­kas­sen­ver­fah­ren im Bau­ge­wer­be (VTV) ver­pflich­tet alle Arbeit­ge­ber, die Mit­glie­der in einem der ver­trags­schlie­ßen­den Bau­ver­bän­de sind, an den Sozi­al­kas­sen­ver­fah­ren der SOKA-Bau teil­zu­neh­men und Bei­trä­ge an die­se abzu­füh­ren. Der Tarif­ver­trag wur­de in den Jah­ren 2008 und 2010 vom BMAS für all­ge­mein­ver­bind­lich erklärt , was zur Fol­ge hat, dass er für sämt­li­che Arbeit­ge­ber gilt, die selbst zwar kei­ne Mit­glie­der der Tarif­ver­trags­par­tei­en sind, aber einen bau­ge­werb­li­chen Betrieb füh­ren. Vor­aus­set­zung einer der­ar­ti­gen All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung nach der bis zum 15.08.2014 gel­ten­den Fas­sung des Tarif­ver­trags­ge­set­zes war, dass die tarif­ge­bun­de­nen Arbeit­ge­ber nicht weni­ger als 50 v. H. der unter den Gel­tungs­be­reich des Tarif­ver­trags fal­len­den Arbeit­neh­mer beschäf­tig­ten und eine sol­che Erklä­rung im öffent­li­chen Inter­es­se gebo­ten schien (§ 5 TVG a.F.).
Seit lan­gem war umstrit­ten, ob die­se Vor­aus­set­zun­gen für die Sozi­al­kas­sen­ta­rif­ver­trä­ge des Bau­ge­wer­bes über­haupt vor­la­gen. Ins­be­son­de­re Arbeit­ge­ber, die kein Mit­glied in einem der ver­trags­schlie­ßen­den Bau­ver­bän­de waren, zwei­fel­ten an ihrer Bei­trags­pflicht und führ­ten an, dass das BMAS die Vor­aus­set­zun­gen für die All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung nicht aus­rei­chend geprüft habe. Dem wider­sprach das LAG nun in den bei­den ver­bun­de­nen Ver­fah­ren durch Beschluss mit der Begrün­dung, dass die vom BMAS zugrun­de geleg­ten Zah­le für das 50%-Quorum erfüllt waren und zudem das öffent­li­che Inter­es­se anzu­neh­men sei. Ob das Bun­des­ar­beits­ge­richt die Ein­schät­zung des LAG teilt, bleibt abzu­war­ten; die Rechts­be­schwer­de wur­de zugelassen.
Ver­fah­rens­recht­lich stellt der Beschluss eine Neue­rung dar: Erst­mals seit der Ein­füh­rung des Tarif­au­to­no­mie­stär­kungs­ge­set­zes im August 2014 ent­schied erst­in­stanz­lich ein Lan­des­ar­beits­ge­richt über die Wirk­sam­keit einer All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung; eine der­ar­ti­ge Über­prü­fung war nach alter Rechts­la­ge den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten zugewiesen.

Ausblick

Seit der Ein­füh­rung des Tarif­au­to­no­mie­stär­kungs­ge­set­zes zum 16.08.2014 gel­ten erleich­ter­te Vor­aus­set­zun­gen für eine All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung durch das BMAS. Das 50%-Quorum wur­de abge­schafft; es genügt künf­tig das Vor­lie­gen eines öffent­li­chen Inter­es­ses an der All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung. Ein sol­ches ist nach § 5 TVG in der neu­en Fas­sung regel­mä­ßig zu beja­hen, wenn:

  1. der Tarif­ver­trag in sei­nem Gel­tungs­be­reich für die Gestal­tung der Arbeits­be­din­gun­gen über­wie­gen­de Bedeu­tung erlangt hat oder
  2. die Absi­che­rung der Wirk­sam­keit der tarif­ver­trag­li­chen Norm­set­zung gegen die Fol­gen wirt­schaft­li­cher Fehl­ent­wick­lung eine All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung verlangt.

Da sich die Zwei­fel an der Wirk­sam­keit der Erklä­run­gen von 2008 und 2010 vor allem auf die Quo­rums­re­ge­lung stüt­zen, ist etwa­igen künf­ti­gen Ver­fah­ren mit der Neu­re­ge­lung die Grund­la­ge ent­zo­gen. Dies gilt vor allem vor dem Hin­ter­grund der Ein­füh­rung des § 5a TVG, dem zufol­ge eine All­ge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klä­rung ins­be­son­de­re mög­lich ist, wenn wie im Fall der SOKA-Bau der Tarif­ver­trag die Ein­be­zie­hung von Bei­trä­gen und die Gewäh­rung von Leis­tun­gen durch eine gemein­sa­me Ein­rich­tung vorsieht.