ArbG Berlin: Verjährung von Beitragsforderungen der SOKA-Bau
Das Arbeitsgericht Berlin hat am 17.12.2015 (66 Ca 60735/15) in einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren entschieden, dass Beiträge zur SOKA-Bau in wesentlichem Umfang verjährt sein können, auch wenn die SOKA innerhalb der Verjährungsfrist einen Mahnbescheid beantragt hatte. Zutreffend urteilte das Gericht, dass der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides zwar die Verjährung hemme, allerdings nur für einen Zeitraum von sechs Monaten. Das gelte sogar dann, wenn nach dem Mahnbescheidsantrag bis zum Verhandlungstermin vor dem Arbeitsgericht tatsächlich noch verhandelt worden sei.
Das besondere an der Entscheidung ist, dass sie eine Vielzahl von Verfahren betrifft, die immer nach demselben „Strickmuster“ ablaufen: Vor möglicher Anspruchsverjährung wird durch die SOKA ein Mahnbescheid beantragt. Dann wird das Verfahren während der Durchführung von Verhandlungen (die hier strittig waren) oft über einen sehr langen Zeitraum von mehr als sechs Monaten nicht mehr betrieben. Sofern die Verhandlungen nicht vorankommen oder scheitern sollten, wird dann das Verfahren durch die SOKA wieder aufgenommen, um ihre Ansprüche gerichtlich durchzusetzen.
Das Arbeitsgericht urteilte nun zutreffend, dass weitere Verhandlungen die Verjährung jedoch nicht weiter unterbrächen, sondern die SOKA spätestens nach Ablauf von sechs Monate einen Verhandlungstermin beantragen müsse, da die Verjährung sonst weiter laufe. Ergebnis: Ansprüche, die am Jahresende gerade noch nicht verjährt waren, können nach Ablauf von oft nur etwas mehr als sechs Monaten nicht mehr gefordert werden.
Wir zitieren aus den Gründen:
Ein möglicher Anspruch des Klägers (der SOKA-Bau, d. Verf.) auf Zahlung sog. Mindestsozialkassenbeiträge für den Zeitraum Dezember 2008 bis Dezember 2009 ist verjährt.
Die gem. § 21 Abs. 4 des allgemeinverbindlichen VTV geltende Verjährungsfrist von Beitragsansprüchen des Klägers gegen die Beklagte als Arbeitgeberin beträgt 4 Jahre. Die streitgegenständlichen Ansprüche für die Monate Dezember 2008 bis Dezember 2009 sind gem. § 18 Abs. 1 VTV bis zum 20. des jeweiligen Folgemonats bargeldlos an den Kläger zu zahlen, d.h. sämtliche Ansprüche bis auf den Monat Dezember 2009 sind bereits im Jahre 2009 zur Zahlung fällig. Mit dem am 30.12.2013 erlassenen Mahnbescheid, der der Beklagten bereits am 06.01.2014, also demnächst i.S.d. § 167 ZPO, zugestellt wurde, war zwar zunächst die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Ziffer 3 BGB (Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung) gehemmt. Gem. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 BGB aber 6 Monate u.a. nach Beendigung des eingeleiteten Verfahrens, wobei gem. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB bei Stillstand des Verfahrens durch Nichtbetreiben durch die Parteien an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien tritt. Vorliegend hat der Kläger das Verfahren erst am 20.07.2015 aufgerufen, nachdem auf Antrag des Beklagtenvertreters am 06.10.2014 die Anordnung des Ruhens des Verfahrens angeordnet war. Die Hemmung der Verjährung endete damit bereits Anfang Oktober 2014. Am 20.07.2015, dem Zeitpunkt des Wiederaufrufs des Verfahrens durch den Kläger hatte die Hemmung der Verjährung weit länger als 6 Monate, fast 9 Monate nach dem 06.10.2014 geendet, so dass die 4‑jährige Verjährungsfrist längst ausgeschöpft war. Dabei ist unerheblich, aus welchen Gründen das Verfahren nicht betrieben worden ist, d.h. ob – wie hier – außergerichtliche Vergleichsverhandlungen hierfür maßgeblich gewesen sind. Vielmehr kommt es allein darauf an, dass das Verfahren nicht betrieben wird, d.h. dass keine zur Förderung des Verfahrens notwendigen Handlungen vorgenommen werden. Dabei geht ab dem Zeitpunkt des Stillstandes die Verantwortung für das Betreiben des Prozesses wieder auf den Kläger über, solange nur das Gericht wie hier mit dessen Einverständnis von einer Terminbestimmung auf unbestimmte Zeit absieht (vgl. BGH Urt. v. 16.03.2009 II ZR 32/08 Rn. 31 bei Juris).
An diesem Ergebnis ändert auch nichts die Regelung des § 203 BGB. Die Vorschrift des § 203 BGB, wonach die Verjährung gehemmt ist, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch schweben, greift nach der Gesetzessystematik nicht ein, wenn wie hier die drohende Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Ziffer 3 BGB zunächst durch Rechtsverfolgung gehemmt worden ist. Die Beklagte hat auch nicht im Hinblick auf die außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen erklärt, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
An dem Ergebnis ändert auch nichts die Vorschrift des § 199 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldner Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Das diesbezügliche – im Übrigen seitens der Beklagten bestrittene – Vorbringen des Klägers ist unsubstantiiert und kann daher nicht Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein. Es ist nicht angegeben, wann genau und auf Grund welcher Umstände der Kläger welche konkreten Erkenntnisse zum Vorliegen eines Baubetriebes i.S.d. VTV bei der Beklagten erlangt haben will. Auch ist nicht dargetan, weshalb er nicht bereits vorher Kenntnis erlangen konnte.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.