Anspruchsverjährung trotz rechtzeitiger gerichtlicher Geltendmachung II
Der Beitrag ist in der Zeitschrift Fachanwalt Arbeitsrecht (FA) 3/2016 erschienen. Verfasser ist RA Jörg Hennig, AMETHYST Rechtsanwälte, Berlin.
c) Hemmung der Verjährung gemäß § 204 BGB – gerichtlich
Nach § 204 I Nr. 3 BGB ist die Verjährung ab Rechtshängigkeit bzw. ab dem Zeitpunkt der (ggf. alsbaldigen) Zustellung des Mahnbescheids gehemmt. Bereits bei der Forderungsbezeichnung im Mahnbescheid (jedoch auch in der Klage) werden oftmals Fehler begangen, die zu einer Anspruchsverjährung führen können.
Erforderlich für die ordnungsgemäße Bezeichnung des Anspruchs ist, dass der Kläger seine Forderung so ausreichend individualisiert, dass auf Grundlage des Mahnbescheides oder der Klageschrift ein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen kann und dem Schuldner zudem die Beurteilung ermöglicht wird, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen will. Dieser Grundsatz gilt auch für den Fall der Geltendmachung einer Gesamtforderung, die sich aus mehreren, z.B. monatlichen, Teilbeträgen zusammensetzt. Deshalb darf ein Gläubiger bei wiederkehrenden Leistungen / Forderungen auch unter Zeitdruck vor Fristablauf nicht einfach eine Gesamtforderung ohne konkrete Individualisierung auf einzelne Monate erheben oder einfach mehr oder weniger ins blaue Hinein Pauschalforderungen aufstellen. Beides genügt für eine Individualisierung nicht.
Eine nachträgliche Individualisierung des Klageanspruchs nützt wenig, denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Hemmung der Verjährung im Falle des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB allein auf den Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids an, eine rückwirkende Heilung durch eine nachträgliche Individualisierung der Klageforderung nach Ablauf der Verjährungsfrist kommt nicht in Betracht (BGH v. 21.10.2008 – XI ZR 466/07).
d) Hemmung durch Verhandlungen während laufender Gerichtsverfahren
Bei Nichtbetreiben eines rechtshängigen Verfahrens endet die Hemmung der Verjährung nach § 204 II S. 2 BGB sechs Monate nach Wegfall des Hemmungsgrundes (z.B. der Aussetzung eines Prozesses), wenn der Kläger den Rechtsstreit nicht weiter geführt hat, obwohl der Grund zur Aussetzung entfallen ist. Ab dem Zeitpunkt des Stillstands des Verfahrens geht die Verantwortung für das Betreiben eines Prozesses auf den Kläger über. Die Hemmung der Verjährung bei Untätigkeit endet nur dann nicht, wenn für das Untätigbleiben des Klägers ein triftiger, für den anderen Teil erkennbarer Grund vorliegt, der auch prozesswirtschaftlicher Art sein kann. Außergerichtliche Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB stellen keinen solchen triftigen Grund für das Nichtweiterbetreiben eines bereits laufenden Verfahrens dar und können daher die Beendigung der Verjährungshemmung nach Ablauf der Sechsmonatsfrist nicht verhindern. Die Annahme eines triftigen Grundes ist vielmehr nur dann gerechtfertigt, wenn besondere Umstände vorliegen, die über den in der Praxis häufigen Fall hinausgehen, dass die Parteien außerhalb des Prozesses noch in Verhandlungen stehen, und die es deshalb ausnahmsweise rechtfertigen, die Hemmung der Verjährung noch andauern zu lassen. Welche Gründe dies sein sollen, sagt der BGH zwar nicht; für den Anwender genügt indes die Information, dass außergerichtliche Verhandlungen ersichtlich nicht zu diesen triftigen Gründen gehören.
Letztlich gilt für das Ende der Hemmung durch das Nichtbetreiben des Verfahrens ein einfacher, verobjektivierter Maßstab. Motive, Absprachen, selbst durch die Parteien gegenüber dem Gericht geäußerten Absichten, haben keinen Einfluss auf das Ende der Hemmung. Der Kläger trägt die Verantwortung für Stillstand und Wiederaufnahme des Prozesses allein. Ob das Nichtweiterbetreiben des Prozesses auf eine Anregung des Gerichts oder eine Anregung des Klägers zurückgeht, ob das Gericht der Bitte des Beklagten, nicht zu terminieren folgt und der Kläger durch Untätigkeit nur konkludent zustimmt, oder ob beide Parteien diesen Wunsch gemeinsam dem Gericht gegenüber zum Ausdruck bringen, spielt keine Rolle (vgl. BGH v. 16.03.2009 – II ZR 32/08). Es zählt allein der Umstand, dass ein Verfahren durch den Kläger nicht betrieben wird, das heißt, dass keine zur Förderung des Verfahrens notwendigen Handlungen vorgenommen werden.